Archiv, da Paywall
Sein Rücktritt kam so unvermittelt, dass selbst seine engsten Mitarbeiter überrascht waren. Wenige Stunden bevor er an die Öffentlichkeit ging, rief Kühnert sein Team zusammen. Es hieß, es gebe etwas zu feiern, die Sekretärin stellte Sekt bereit. Dann eröffnete Kühnert seinen Leuten, dass er sein Amt niederlege. Alle weinten, den Sekt rührte niemand an. So erzählt es eine frühere Mitarbeiterin von Kühnert.
Vor sieben Jahren, als ich Kühnert zum ersten Mal traf, fragte ich ihn, warum er Politiker geworden sei. Er erinnerte sich an ein Gefühl, das ihn in jungen Jahren beflügelt habe: das Gefühl, etwas verändern zu können. Kühnert erzählte von seinem ersten politischen Erfolgserlebnis: Mit den Juso-Kollegen hatte er durchgesetzt, dass Bedürftige in Berlin ein vergünstigtes Ticket für den Nahverkehr bekommen. Jahre später, da war Kühnert längst Generalsekretär, habe ich mit ihm noch einmal über dieses Gefühl gesprochen. Ich fragte ihn, wann er es zum letzten Mal empfunden habe. Kühnert musste lange nachdenken. Dann sagte er: beim Heizungsgesetz. Kühnert war es gelungen, dem Gesetzestext eine Klausel hinzuzufügen, die es Hausbesitzern verbietet, die Kosten für den Heizungstausch vollständig auf die Mieter umzulegen. Aus sozialdemokratischer Sicht war das ein Erfolg. Allerdings einer, der in der allgemeinen Empörung, die das Heizungsgesetz entfachte, unterging.
[…]
Mittlerweile glaube ich, dass Kühnerts Rücktritt ohne dieses Puzzleteil nicht zu verstehen ist. Dass er nicht nur aufgegeben hat, weil es den Radikalen gelang, ihn einzuschüchtern. Sondern auch, weil er den Glauben daran verlor, dass die Mitte überhaupt noch bereit ist, sich zusammenzuraufen.
Jep, so sieht ein gebrochener Wille aus.
Zu Recht, oder?
wenn es den Verächtern des Systems gelingt, mit einem einzigen TikTok-Video ein ganzes Heer von Wählern aufzuwiegeln?
https://feddit.org/post/11269621/6205530
Der Kommentar und der Post sprechen dafür, dass Argumente zweitrangig sind. Politik wird zum zynischen Spiel, durch Unterhaltung Menschen für das eigene Team zu begeistern.
Die SPD muss dies mitmachen denn nur so bekommt man die Stimmen.
Gibt es eine Chance, zum Diskurs zurückzukehren? Ich denke eher, dass bei der nächsten Wahl mehr Parteien Trump nicht inhaltlich aber konzeptionell kopieren werden.
Die SPD muss dies mitmachen denn nur so bekommt man die Stimmen.
Sehe ich überhaupt nicht so. Finde das hat man auch gut am Stimmenzuwachs der Linken zur letzten Wahl gesehen.
Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass wir nicht an diesem Punkt wären, wenn unsere beiden großen “Mitte”-Parteien nicht voller Inbrunst den Populismus zu ihrem Hauptfokus erklärt hätten. Es gab im letzten Wahlkampf zum Beispiel viel Kritik aus der Bevölkerung, dass es neben Migration eigentlich keine Themen gab, obwohl anderes wichtiger gewesen wäre.
Die AfD war und ist immer noch eine laute Minderheit aber man geht nicht so mit ihr und ihren Wählenden um. Und wenn wir ehrlich sind, ist das der kommenden Regierung nur recht, immerhin sind die Leute durch diesen bullshit so abgelenkt, dass wir uns jetzt endlich wieder in die Vergangenheit zurück reagieren lassen können. Was interessieren schon Gutachten, wenn ich Konzernen weiter Geld in die Taschen stopfen kann.
Würde die GroKo hier tatsächlich Mal aus ihrem Muster ausbrechen und Politik zum Wohle der Bevölkerung machen, wäre die AfD weniger stark.
Volle Zustimmung bis auf die Bewertung der Linken. Die Konsequenz ist leider, dass alles nur Theater ist und Argumente eben nicht zählen.
Die Linke bekam meiner Meinung nach nur die Aufmerksamkeit, um das BSW zu verhindern.
Die ist zugegebenermaßen nicht objektiv sondern basierend auf meinem erweiterten Umfeld. Unter anderem der Heizkostenchecken und die anderen Schwerpunkte im Parteiprogramm kamen da sehr gut an.
Was meinst du an der Stelle damit, dass man da gut sehen konnte das alles nur Theater sei?
immerhin sind die Leute durch diesen bullshit so abgelenkt, dass wir uns jetzt endlich wieder in die Vergangenheit zurück reagieren lassen können
Die AfD ist die Alternative, aber da rassistisch, nicht mehrheitsfähig. Damit können die etablierten Parteien auf Jahre Politik gegen die Mehrheit machen, da nicht noch eine Opposition entstehen wird. Das könnte Zufall sein. Die Medien haben aber die AfD durch auffällig viel Aufmerksamkeit bereits in der Anfangsphase gross gemacht. Daher halte ich die rechte Gefahr für gewollte politische Ablenkung.
Traurig zu sehen, wie unsere toxische Gesellschaft Menschen brechen kann.
Dass Parteien das mit Idealisten tun, scheinen Alle zu wissen, außer die paar Idealisten in Parteien.
Es geht ja nicht nur um Idealisten, der Artikel stellt ja auch klar, dass Kompromissbereitschaft ein Charakterzug von Kühnert war/ist.
Das Problem ist doch, dass Kompromissbereitschaft in der heutigen Gesellschaft nur dazu führt in den Augen der breiten Bevölkerung als “Weichei” und “Verlierer” wahrgenommen zu werden… Trump, die AgD und andere zeigen doch: Wenn du heute als Politiker etwas werden willst und deine Ideen umsetzen möchtest musst du den “Willen zur Macht” haben und absolut kompromisslos sein. Entweder du hast Erfolg (oder simulierst diesen zumindest)… oder eben nicht.
Das wirkliche Problem ist, dass der Kompromiss als solcher einen so hohen Stellenwert in diesem Politzirkus bekommen hat, dass es keine Ideale mehr gibt. Denn die werden gerne und regelmäßig für einen Kompromiss um des Kompromisses Willen über Bord geworfen.
Du isst gerne Schokopudding, ich esse gerne Scheiße, lass einen Kompromiss machen und meine Scheiße in Deinen Schokopudding rühren. Was? Das ist eklig? Sei doch mal kompromissbereit verdammt noch mal.
Kompromissbereit bis zur Selbstaufgabe. Muss man halt wollen.
Ich finde nicht, dass das die Schuld von Parteien ist. Meiner Meinung nach ist das Problem, dass Hass und Hetze Überhand über einen sachlichen und respektvollen Dialog genommen haben. Ich kann mit politischen Positionen auch nicht übereinstimmen, aber in den allermeisten Fällen rechtfertigt das keine Gewalt.
Jein, wenn Söder in seiner Position als Parteivorsitz zum Beispiel wieder Lügen verbreitet oder sich Mal wieder im Ton vergreift und das faktisch keine Konsequenzen hat, dann suggeriert das “Das ist schon okay so”. Damit wird ein Grundton für öffentlichen politischen Diskurs festgelegt, der schon Richtung Gürtellinie geht und das haben die Parteien zu verantworten.
Ich verstehe zum Beispiel nicht wie jemand, der in einem internationalen Fake News Ranking auftaucht weiterhin ein solches Amt wie Söder begleiten darf. Wie kann das akzeptabel sein?
In Parteien werden nur der Parteilinie angepasste Arschkriecher was. Idealisten werden untergebuttert.
Tja.