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Cake day: June 26th, 2023

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  • Wenn ich das halbwegs richtig wiedergebe, hat Jens-Christian Wagner erklärt, dass “Erinnern” nur ein Akt ist, der sich auf selbst Erlebtes beziehen kann, wodurch die Forderung “erinnert euch!” inzwischen schon an der Demographie scheitert. Die Forderung hat dann jedoch auch das Problem, dass sie eine persönliche “Erbschuld” impliziert, die dann natürlich zurückgewiesen wird. Das steht im Kontrast zum Gedenken an die Opfer einerseits, was unabhängig von Fragen von persönlicher Schuld geboten ist. Und es steht im Kontrast zur historischen Aufarbeitung, die eine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Opfern ist, und andererseits eine Verantwortung um derartige Verbrechen niemals wieder geschehen zu lassen.

    Unter der Voraussetzung, dass du das korrekt widergibst, klingt das für mich irgendwie nach… Gefasel über Semantik. Ist jetzt das Problem wirklich das Wort “Erinnerungskultur” und die mit den einzelnen Wortbestandteilen verbunden Konnotationen? Dann nennt man es halt anders. Wissensgewinn, Lernen aus Fehlern, wie auch immer.
    Die Differenzialrechnung muss man auch nicht alle paar Generationen neu entwickeln oder “selbst erleben”. Genau so wenig muss man sich daran “erinnern”, dass eine starke internationale Gemeinschaft und Ehrfurcht vor dem Leben eher gut und autokratische Systeme und Ungleichheit in Gesellschaften eher schlecht sind.

    Dass all diese Dinge vielleicht in den letzten 50 Jahren hierzulande und weltweit nicht in ausreichendem Maße als ähnlich objektive und nützliche Wahrheiten verbreitet wurden wie Differenzialrechnung, hat komplexe und frustrierende Gründe, aber mit “Erinnerungskultur” denke ich wenig zu tun.